Vogelsbergbahn: Fahrplanverbesserungen, aber kein Ausbau in Sicht

 

Der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) hat das Zugangebot auf der Vogelsbergbahn zum Fahrplanwechsel im Dezember 2020 ausgeweitet. Darüber freut sich der hessische Fahrgastverband Pro Bahn & Bus. Er sieht darin einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz sowie zur Attraktivitätssteigerung des ländlichen Raums. Die Vogelsbergbahn hat auch in den vergangenen Jahren schon Angebotsausweitungen erfahren, etwa im Verkehr am späten Abend.

Allerdings lässt der erweiterte Fahrplan nach Ansicht von Pro Bahn & Bus auch die Schwachstellen der 106 Kilometer langen ÖPNV-Lebensader durch den Vogelsberg deutlich werden. Der in Lauterbach ansässige Verein, der Mitglied im Deutschen Bahnkundenverband ist, beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Infrastruktur der Vogelsbergbahn. Die Ehrenamtlichen attestieren der Strecke einen niedrigen Ausbauzustand „vielfach auf dem Niveau der 1950er Jahre“, den unterbliebenen Bau von Stationen in wachsenden Siedlungsgebieten und ein manchmal abschreckendes Erscheinungsbild der Stationen.

Ein Zug der HLB an einem beschrankten Bahnübergang der Vogelsbergbahn. Foto: Stefan Sitzmann

Ein Zug der HLB an einem beschrankten Bahnübergang der Vogelsbergbahn. Foto: Stefan Sitzmann

Die Signaltechnik der Vogelsbergbahn stammt bis auf wenige Ausnahmen aus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Sie ist robust und zuverlässig, aber auch langsam. Zugbegegnungen dauern ungefähr doppelt so lang wie bei aktueller elektronischer Technik.

Hinzu kommt: Besonders in den 1990er Jahren wurden unter dem Spardiktat der damaligen Bahnreform Kreuzungsstellen abgebaut. Die Wiedereinführung schneller Regionalexpresszüge bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Regionalbahnen mit Halt an allen Stationen mindestens im Stundentakt scheitert derzeit am niedrigen Ausbauzustand, ergab eine kürzlich abgeschlossene Studie.

Zugbegegnung im Bahnhof Lauterbach (Hess) Nord. Foto: Stefan Sitzmann

Zugbegegnung im Bahnhof Lauterbach (Hess) Nord. Foto: Stefan Sitzmann

Schlimmer noch: Um ein dichteres Angebot mit akzeptablen Fahrzeiten im Mittelabschnitt zwischen Lauterbach und Zell-Romrod wenigstens für die größeren Orte zu schaffen, wurden noch nach der Jahrtausendwende die kleinen Stationen Renzendorf und Wallenrod geschlossen. Andere Orte haben nie einen Halt bekommen, obwohl Fahrgäste vorhanden sind. Gerade wurde in Reiskirchen-Lindenstruth wieder eine bessere Verkehrsbedienung vom Ortsbeirat gefordert. Lindenstruth ist eines von mehreren Dörfern, an denen die Vogelsbergbahn in Sichtweite zahlreicher potenzieller Fahrgäste vorbeifährt.

Ausgerechnet im westlichen Abschnitt zwischen Gießen und Mücke, an dem der RMV mit einigem finanziellen Aufwand einen ungefähren Halbstundentakt zu den Spitzenzeiten einrichtet, fehlt es an Haltstationen. Würden sie existieren, könnten viel mehr Menschen vom Zusatzangebot profitieren. Bauen lassen sich die Stationen aber erst nach der Modernisierung der Technik, denn die heute zu langen Aufenthaltszeiten auf den Begegnungsstationen zehren die Zeitreserven auf, die für neue Halte benötigt werden.

In der RMV- Pressemitteilung vom 17.03.1999, anlässlich der Einweihung der P&R Station am Bahnhof Mücke, wurde der Umbau der Vogelsbergbahn zu der technisch modernsten Regionalstrecke im deutschen Eisenbahnnetz angekündigt. Von diesem Plan wurde fast nichts umgesetzt. Die Vogelsbergbahn bildet in Hessen mittlerweile ein Schlusslicht unter den Regionallinien abseits der Ballungsräume. Vergleichbare Strecken wie die Odenwaldbahn oder die Bahnen von Kassel bzw. Marburg nach Korbach und Willingen wurden durchgreifend modernisiert.

Regionalbahnen der HLB im Bahnhof Lauterbach (Hess) Nord. Foto: Stefan Sitzmann

Regionalbahnen der HLB im Bahnhof Lauterbach (Hess) Nord. Foto: Stefan Sitzmann

Auch die erneute Ausschreibung der Zugleistungen wird voraussichtlich keinen Qualitätssprung für die Vogelsbergbahn bedeuten. Modernisierte Altfahrzeuge sind zugelassen, wodurch der weitere Einsatz der vielfach zu kleinen und wenig komfortablen Dieseltriebwagen vom Typ LINT der Hessischen Landesbahn bis 2038 wahrscheinlich wird. Vorgaben für einen Einstieg in klimafreundlichere Antriebsarten gibt es nicht.

Pro Bahn & Bus appelliert an das Land Hessen, den Ausbau der Vogelsbergbahn zur Landessache zu machen. Die kommunale Arbeitsgemeinschaft Vogelsbergbahn hat nur wenig bewegen können. Nötig ist eine Modernisierung der Signaltechnik, die Errichtung neuer Stationen sowie die Einführung eines Regionalexpresssystems ähnlich wie auf der Lahntalbahn.

 
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