Pro Bahn & Bus legt „Zukunftskonzept Vogelsbergbahn“ vor
Der Fahrgastverband Pro Bahn & Bus im Deutschen Bahnkundenverband hat heute das „Zukunftskonzept Vogelsbergbahn“ vorgelegt. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass die 106 Kilometer lange Strecke von Gießen nach Fulda im Maßnahmenpaket des Bundesverkehrsministeriums (BMVI) zum Deutschlandtakt mit mehreren Einzelprojekten berücksichtigt ist.
Erfreulicherweise gehen die Ausbauten für den Deutschlandtakt zum großen Teil mit den Ideen des hessischen Fahrgastverbandes konform. Das Pro Bahn & Bus - Papier richtet darüber hinaus aber einen deutlichen Schwerpunkt auf die Lokalverkehre in den Einzugsbereichen von Gießen und Fulda, auf eine umweltverträgliche Antriebstechnik – Stichwort Elektrifizierung – und auf den Güterverkehr. Außerdem will der Fahrgastverband das Bewusstsein dafür schärfen, dass die Modernisierung in der Region angestoßen, entwickelt und begleitet werden muss.
Horst Lorenz vom Pro Bahn & Bus - Regionalverband Mittelhessen: „Die in Verbindung mit dem Deutschlandtakt angedachten Ausbaumaßnahmen der Vogelsbergbahn, welche kürzlich in den Medien veröffentlicht und im Nachgang von verschiedenen Organisationen und Parteien nahezu einhellig begrüßt wurden, bergen die große Gefahr, dass sie die betroffenen Gebietskörperschaften zum Zurücklehnen animieren. Doch das wäre wirklich fatal. Daher möchte Pro Bahn & Bus die vom Bundesverkehrsministerium beauftragte Untersuchung mit den jetzt veröffentlichten Ausbaumaßnahmen substanziell beleuchten“.
Die im Deutschlandtakt-Maßnahmenkatalog veröffentlichten Ausbauprojekte der Vogelsbergbahn beruhen auf dem vom BMV) in Auftrag gegebenen Gutachten zum Deutschlandtakt, der nach heutigem Stand ab 2030 umgesetzt werden soll. Als Grundlage des Gutachtens dienten primär die Vorgaben für die Anschlussbeziehungen in Gießen und Fulda, die Einrichtung eines Halbstundentaktes in den Spitzenzeiten an Werktagen über die Gesamtstrecke sowie die Schaffung daraus resultierender zusätzlicher Kreuzungspunkte. Der Deutschland-Takt sieht außerdem die Einrichtung von zwei zusätzlichen Stationen in Wallenrod und Maberzell vor.
Mehr zusätzliche Stationen und RegionalExpress
Gerade bei der Anzahl der zusätzlichen Halte gehen die Vorstellungen vor Ort und die Deutschland-Takt-Planungen aber weit auseinander. Bereits 2017 wurde von den Landkreisen Gießen und Vogelsberg sowie vom Zweckverband ZOV eine Fahrplanstudie beauftragt, in der neben Wallenrod und Maberzell auch zusätzliche Haltepunkte in Gießen-Aulweg, Gießen US-Depot, Gießen-Rödgen, Großen Buseck-Industrie, Lindenstruth, Altenburg und Renzendorf sowie die Einrichtung einer Regionalexpresslinie Grundlage der Untersuchung waren.
Ganz aktuell wird auch in der Stadt und im Landkreis Fulda über gleich mehrere neue Stationen im Rahmen einer „City-Bahn Fulda“ nachgedacht. Außerdem geht der Deutschland-Takt nicht explizit auf das notwendige Bedienungskonzept mit Regionalexpress-Zügen und an allen Stationen haltenden Regionalbahnen ein. An dieser Stelle bedarf es ebenfalls deutlicher Impulse aus der Region.
„Vor diesem Sachverhalt ist es notwendig, dass alle betroffenen Gemeinden und Landkreise sich gegenüber den Aufgabenträgern positionieren um ihre berechtigten Interessen in die vom BMVI vorgestellten Planungen einfließen zu lassen“, sagt Horst Lorenz. Im Juni 2008 hatte die kommunale Arbeitsgemeinschaft Vogelsbergbahn (AGNV) in einer Vereinbarung mit den Aufgabenträgern den derzeitigen Ausbaustatus erreicht. Durch die Einführung eines Halbstundentaktes in der Hauptverkehrszeit im Abschnitt Gießen-Mücke und die Einrichtung von Spätverkehren konnten Fahrgaststeigerungen von rd. 20 % erreicht werden. Allerdings ist die AGNV seit 2018 leider nicht mehr öffentlich in Erscheinung getreten.
Ein Vorbild in Hessen – der Kampf für die Niddertalbahn
Einen Beleg dafür, dass eine um weitere wichtige Akteure ergänzte kommunale Arbeitsgemeinschaft – wenn sie denn mit einer Stimme spricht – etwas erreichen kann, findet sich aktuell im Rhein-Main-Gebiet. Obwohl Ende der 1980er/ Anfang der 1990er Jahre die Strecke des „Stockheimer Lieschens“ Bad Vilbel – Glauburg-Stockheim ein Stilllegungskandidat war, konnte sie unter anderem durch die Gründung einer kommunalen Arbeitsgemeinschaft, der ARGE Nahverkehr Niddertalbahn, überleben. Im Verlauf des Jahres 2007 wurde die Strecke modernisiert und erhielt ein elektronisches Stellwerk. In den nun folgen Jahren hatten die Fahrgastzahlen dieser Strecke enorm zugenommen - inzwischen spricht man sogar von einem Plus von ca. 30 %.
Diese positive Entwicklung wurde von der "ARGE Niddertalbahn“ aufgegriffen und führte zu Verhandlungen mit allen Aufgabenträgern, um einen noch leistungsfähigeren Ausbau der Strecke zu erreichen. Da die Gebietskörperschaften alle "an einem Strang zogen", konnte am 5. November 2019 in Friedberg zwischen der "ARGE Niddertalbahn", der DB AG, dem RMV und dem ZOV ein Vertrag zur Elektrifizierung der Gesamtstrecke mit abschnittsweisen zweigleisigen Abschnitten abgeschlossen werden. Diese Maßnahmen erlauben hier einen Halbstundentakt und reduzieren Verspätungsübertragungen an den Kreuzungsbahnhöfen auf die Gegenrichtung.
Damit die anliegenden Gebietskörperschaften der Vogelsbergbahn wieder mit einer Stimme ihre Forderungen und Erwartungen einbringen können ist es zwingend notwendig, dass die kommunale Arbeitsgemeinschaft Vogelsbergbahn mit neuer Leitung und mit erweitertem Sachverstand reaktiviert wird. Noch ist es nicht zu spät, um die notwendigen Ergänzungen in die Ausbauplanungen einfließen zu lassen.